Vom 13. bis 15. Mai 2025 fand in Dresden das diesjährige Landeshauptstadtseminar der Arbeitsgemeinschaft katholischer Studentenverbände (AGV) e.V. statt. Teilnehmer waren die Vororte des CV und UV sowie das Ringpräsidium des RKDB. Unter dem Titel „Was eint uns noch?“ haben wir in zahlreichen Gesprächen mit Persönlichkeiten aus Politik, Kirche und Gesellschaft nach den Klammern gesucht, die unsere Gesellschaft in Zeiten wachsender Polarisierung zusammenhalten können. Die Themafrage begleitete uns als roter Faden durch sämtliche Gespräche.
Der Auftakt des Seminars führte uns ins Sächsische Sozialministerium zu Petra Köpping (SPD), Staatsministerin für Soziales, Gesundheit und Gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie zeichnete ein ehrliches Bild der ostdeutschen Wirklichkeit, geprägt von Unsicherheit, Vertrauensverlust und dem Erstarken radikaler Strömungen. Die Ministerin sprach offen über das wachsende Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen, die Rolle der Kirchen als mögliche Brückenbauer und die gesellschaftlichen Folgen der Corona-Zeit. Mitnehmen konnten wir vor allem ihre Forderung nach einem stärkeren Austausch zwischen Ost und West. Dies solle keine bloße politische Floskel sein, sondern mit konkreten Maßnahmen gelebt werden wie z.B. mit innerdeutschen Schüleraustauschen.
Dieses Motiv der Begegnung zog sich auch durch das folgende Gespräch mit dem evangelischen Pfarrer und Autor Justus Geilhufe. Geilhufe berichtete von seiner seelsorgerlichen Arbeit im ländlichen Raum, wo es kaum noch Orte des sozialen Miteinanders gebe. Vereine und Kneipen verwaisen, die Menschen vereinzeln. Kirche müsse hier präsenter sein, Trost spenden und gleichzeitig Freude vermitteln.
Er möchte auch mit Glaubenskursen ein niedrigschwelliges Angebot für Menschen schaffen, die die Nähe zur Kirche suchen. Das gelinge aus seiner Sicht aber nicht mit Eventgottesdiensten, sondern mit echtem Interesse an den Menschen. Sein Anliegen: den Glauben und sonntäglichen Gottesdienstbesuch als selbstverständlichen Teil des Alltags darstellen, aber auch den Aperol danach.
Am Abend trafen wir Dr. Thomas Arnold, Theologe, Mitglied des ZdK und beruflich tätig im Leitungsstab des sächsischen Innenministeriums. Er sprach über die Rolle der Kirche im öffentlichen Diskurs, den Umgang mit Schuld und die Herausforderungen im Dialog mit der AfD. Besonders eindrücklich war sein Appell, theologisch „satisfaktionsfähig“ zu bleiben.
Der zweite Tag führte uns zunächst zur Sächsischen Staatskanzlei, wo wir zunächst Prof. Dr. Heike Graßmann (parteilos), Staatssekretärin für Wissenschaft, Kultur und Tourismus, trafen. Im Gespräch mit ihr wurde deutlich, wie eng die Themen Bildung, Gleichstellung und gesellschaftlicher Zusammenhalt miteinander verwoben sind. Sie sprach über den Wegzug gut ausgebildeter Frauen, die besondere Dynamik des ostdeutschen Arbeitsmarkts und die Frage, wie Sachsen als Standort attraktiv bleiben kann, besonders für junge Familien und Wissenschaftlerinnen.
An gleicher Stelle begegneten wir anschließend Dr. Thomas de Maizière (CDU), Bundesminister a.D., der mit uns über die Zukunftsfähigkeit unseres Staates sprach. Als Mitglied der „Initiative für einen handlungsfähigen Staat“ sprach er über notwendige Strukturreformen. De Maizière warb dafür, Mut zu zeigen und den Reformstau zu lösen, und zwar nicht mit hektischen Symbolmaßnahmen, sondern mit klaren Zielen, besserer Gesetzgebung und einem realistischen Blick auf das, was machbar ist. Er nahm sich auch die Zeit über Mentalitätsfragen in Ostdeutschland zu sprechen, wie etwa über das Gefühl vieler Ostdeutscher, von der gesamtdeutschen Erzählung nicht mitgemeint zu sein.
Zwischen den Gesprächen gab es noch die besondere Gelegenheit den Ministerpräsidenten des Freistaats Sachsen, Michael Kretschmer (CDU), auf einen Handschlag in seinem Büro zu treffen.
Im Haus der Kathedrale trafen wir Bischof Heinrich Timmerevers und Generalvikar Andreas Kutschke. Beide schilderten eindrücklich die Realität eines Bistums in der Diaspora. Nur 3,5 % der Bevölkerung in Sachsen sind katholisch und doch gibt es eine Nachfrage nach Orientierung und Sinn. Der Bischof berichtete von jungen Menschen, die mit existenziellen Fragen in die Kirche kommen: Was ist lebenswert? Wozu lohnt es sich zu leben? Die Kirche könne hier Anker sein. Generalvikar Kutschke teilte zudem seine ganz persönliche Geschichte kirchlicher Repression unter der SED-Diktatur und dem damit einhergehenden Verhältnis der Ostdeutschen zur Kirche.
Am Abend empfing uns Klaus Oidtmann auf dem Haus der K.D.St.V. Chursachsen. Mit ihm sprachen wir über europäische Bildungskooperationen, strategische Allianzen auf Hochschulebene und kulturelle Unterschiede im Wissenschaftssystem. Der Abend bot auch Gelegenheit zum Austausch über das studentische Leben in Sachsen und ließ den Tag in freundschaftlicher Atmosphäre ausklingen.
Am Abschlusstag stand zunächst ein Blick auf die Außenpolitik an. Prof. Dr. Georg Milbradt (CDU), ehemaliger Ministerpräsident Sachsens, berichtete von seiner Arbeit als Sonderbeauftragter für die Verwaltungsmodernisierung in der Ukraine. Er skizzierte die Herausforderungen für einen möglichen EU-Beitritt der Ukraine, sprach sich für die Wehrpflicht aus und zeigte die Bedeutung funktionierender Verwaltungsstrukturen für die europäische Zukunft des Landes auf.
Den Abschluss des Seminars bildete dann ein Gespräch mit Prof. Dr. Roswitha Böhm, Prorektorin Universitätskultur an der TU Dresden. Sie berichtete von der Stimmung auf dem Campus, vom Spannungsfeld zwischen akademischer Freiheit und Antisemitismusprävention, von der Bedeutung universitärer Gesundheitsförderung und von der Verantwortung, junge Menschen zu zivilgesellschaftlichem Engagement zu ermutigen.
Das diesjährige Landeshauptstadtseminar in Dresden hat uns nachdenklich nach Hause fahren lassen. Die Frage „Was eint uns noch?“ bleibt unbeantwortet, aber das Seminar hat gezeigt: Auch 35 Jahre nach der Wiedervereinigung müssen wir noch weiterhin intensiv am Zusammenwachsen von Ost und West arbeiten. Aber: Es gibt die Gesprächsbereitschaft, Gemeinsamkeiten und Viele, die sich für eine geeinte Gesellschaft stark machen.
Von Maximilian Reinberger (KV) und Matthias Lehmann (CV)
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